ZWANGSARBEIT BEI VW. FINFISHER. IRAN.

 

JUNI 2023 | NEWSLETTER 90

Mehrere Berichte weisen darauf hin, dass Zwangsarbeit innerhalb der Lieferketten der deutschen Automobilindustrie weit verbreitet ist. In seiner zweiten Beschwerde im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes wirft das ECCHR den führenden deutschen Automobilherstellern, darunter VW, BMW und Mercedes-Benz, vor, die Risiken von Zwangsarbeit bei ihren Zulieferern in der uigurischen Region in China unzureichend vorzubeugen, zu erkennen und zu verhindern. Erfahren Sie mehr über diesen und andere Fälle in diesem Newsletter. 

Das ECCHR-Team
In der gesamten Lieferkette der Automobilindustrie in der uigurischen Region besteht ein hohes Risiko von Zwangsarbeit – bis hin zur Herstellung von Stahl, Aluminium, Kupfer, Batterien, Elektronik und Innenausstattungen. © Cred/Canva

Brummt der deutsche Wirtschaftsmotor dank Zwangsarbeit?


Das seit Januar 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet große deutsche Unternehmen dazu, ihre Liefernetzwerke aktiv auf Anzeichen von Menschenrechtsverletzungen zu überprüfen – auch in Regionen, die nur schwer zu überwachen sind. Die staatliche Repression führt dazu, dass Uigur*innen in China ständiger Überwachung, Ghettoisierung, Umerziehung und Zwangsarbeit ausgesetzt sind.

Bereits im Jahr 2021 hat das ECCHR Zwangsarbeit in der Textilindustrie in China angeprangert. Jüngste Berichte (von der Sheffield Hallam University) weisen darauf hin, dass die Gefahr von Zwangsarbeit auch in der gesamten Automobilzulieferkette in der uigurischen Region besteht. Die drei größten deutschen Automobilhersteller VW, BMW und Mercedes-Benz stehen in Verbindung mit Zulieferern, die in der uigurischen Region tätig sind. Alle drei Unternehmen konnten bislang nicht nachweisen, dass sie ihren Verpflichtungen zur Wahrung und des Schutzes von Menschenrechten nachkommen. 

Der restriktive Charakter des Systems der Ausbeutung in China macht es unmöglich, die Einrichtungen der Zulieferer zu inspizieren. Zudem sind die Betroffenen nicht in der Lage, selbst rechtliche Schritte einzuleiten, ohne ihre persönliche Sicherheit zu gefährden. Deshalb hat das ECCHR mit Unterstützung des World Uyghur Congress (WUC) und der Coalition to End Uyghur Forced Labor beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine Beschwerde gegen die drei Unternehmen eingereicht. Damit verbunden ist die Forderung nach mehr Transparenz über Maßnahmen zur Erkennung und Verhinderung staatlich geförderter Zwangsarbeit in ihren Lieferketten. Sollten die Unternehmen dies nicht gewährleisten können, müssen sie ihre Geschäftsaktivitäten in der Region einstellen. Andernfalls laufen BMW, VW und Mercedes-Benz Gefahr, an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt zu sein.

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VÖLKERSTRAFTATEN UND RECHTLICHE VERANTWORTUNG

Strafanzeige gegen Justizbeamte im Iran 

Der in Dubai entführte Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd hat bereits Folter und illegale Haft im Iran ertragen müssen – nun ist er zum Tode verurteilt worden. Sharmahds Tochter reichte mit Unterstützung des ECCHR Strafanzeige beim Generalbundesanwalt (GBA) ein. Da Sharmahd deutscher Staatsbürger ist, müssen die deutschen Behörden in seinem Fall ermitteln.  

Die Anzeige richtet sich gegen acht hochrangige Mitglieder der iranischen Justiz und des Geheimdienstes. Ziel ist es, über den Fall hinaus ein Strukturverfahren und weitere Ermittlungen des GBA zum Iran anzustoßen – diese könnten Beweise für weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit ans Licht bringen, um in künftigen Ermittlungen hochrangige Mitarbeiter des Regimes vor Gericht zu stellen.

Das Regime in Teheran ist verantwortlich für die systematische Folter, sexualisierte Gewalt, Hinrichtungen und das Verschwindenlassen zehntausender Menschen – zuletzt vor allem im Zuge der Niederschlagung der feministischen Revolution. Mit diesem Fall kann der GBA  internationale Bemühungen anstoßen, um hochrangige Mitglieder des Regimes für diese Verbrechen vor Gericht zu stellen.

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Stellungnahme von Prof. Dr. Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Justiz a.D

Sehen Sie sich hier die Aufzeichnung der Pressekonferenz an.
WIRTSCHAFT UND MENSCHENRECHTE

Manager des deutschen Spyware-Konzerns FinFisher angeklagt

Sobald FinSpy auf Ihr Smartphone zugreift, kann die Schad-Software Ihren Standort verfolgen, Ihre Kommunikation überwachen und alle Ihre Daten auslesen. Für autoritäre Regime, wie u. a. in Bahrain, der Türkei und Myanmar, ist diese Spionagesoftware das Mittel ihrer Wahl, um die politische Opposition zu unterdrücken und Journalist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen zum Schweigen zu bringen. Obwohl der Export solcher Technologien in Deutschland seit 2015 verboten ist, wurden im Jahr 2017 aktualisierte Versionen der deutschen Spionagesoftware auf einer Wahlkampf-Webseite einer politischen Oppositionspartei in der Türkei entdeckt – was wahrscheinlich zur Überwachung zahlreicher Oppositioneller und Journalist*innen führte.

Nachdem das ECCHR und seine Partnerorganisationen 2019 Strafanzeige gegen den Münchner Konzern und Hersteller der Software FinFinisher erstattete, genehmigte die Staatsanwaltschaft 2020 die Durchsuchung von Büros von FinFinisher. Nach der Pfändung aller Firmenkonten im Jahr 2022 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Gegen vier ehemalige Manager der FinFisher-Unternehmensgruppe hat die Staatsanwaltschaft München nun Anklage wegen vorsätzlicher Verletzung von Ausfuhrgenehmigungspflichten erhoben – ihnen droht nun ein Strafverfahren.

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Gegen Überwachungs-technologien, die Menschenrechte verletzen. 

Das ECCHR kämpft gegen alle Formen des Autoritarismus, einschließlich neuer Methoden der digitalen Überwachung und des Data Mining, die Menschenrechte untergraben und die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Personen, die sich gegen Unterdrückung wehren, gefährden.
 © Martin Grandjean/creativecommons.org
ECCHR
 


© Laura Fiorio

Kunstausstellung My Fascist Grandpa – Verlorene Geschichten in den Ruinen kolonialer Monumente 


Im Mai eröffnete das ECCHR eine Ausstellung der italienischen Künstlerin und Fotografin Laura Fiorio – deren Werke den ECCHR-Jahresbericht 2022 begleiten. In ihrem Projekt My Fascist Grandpa thematisiert sie, angelehnt an private Familiengeschichten, die faschistische und koloniale Vergangenheit Italiens. Das auf Fotos aus privaten Archiven basierte Projekt soll die oftmals vergessenen und tabuisierten individuellen Geschichten und Erinnerungen aus dem privaten in den öffentlichen Raum transferieren und eine Auseinandersetzung damit ermöglichen. Dazu sammelte sie Fotografien, Erinnerungsstücke und Briefe, um sie anschließend als collagenhafte, verfremdete Interventionen auf faschistische Bauwerke zu projizieren. Dadurch will sie das schwierige Erbe hinter den Fassaden moderner Architektur offenlegen.

Wenn Sie die Ausstellung besichtigen wollen, dann kontaktieren Sie bitte info@ecchr.eu

Das ECCHR heißt neue Kolleg*innen und Trainees willkommen!


Andrea Ries ist seit Juni die neue Koordinatorin des Critical-Legal-Training-Programms am Institut für juristische Intervention.

Leona Hansen und Pedro Sanz sind seit Juni Trainees im Programm Border justice.

Rena Hänel ist seit Juni Trainee im Programm Wirtschaft und Menschenrechte. 

Marlena Onochie ist seit April studentische Hilfskraft am Institut für juristische Intervention. 

Ibrahim Mahfouz ist seit Mai Event Manager beim Institut für juristische Intervention. 
VERANSTALTUNGEN

Überlegungen zu Reparationen als individuell einklagbarer Rechtsanspruch 

Menschenrechtsverteidiger*innen aus aller Welt werden am 27. Juni miteinander diskutieren, welche begrenzten Rechtsmittel den Betroffenen kolonialer Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie den Nachfahren, die den andauernden Spätfolgen dieser Verbrechen bis heute ausgesetzt sind, zur Verfügung stehen. Um die philosophischen und moralischen Debatten über Reparationen in Deutschland zu kontextualisieren, werden die Teilnehmer*innen beleuchten, wie sich das grundlegende Recht auf Reparationen entwickelt hat, welche Hürden Antragsteller*innen aus dem Globalen Süden überwinden müssen und welche neuen Bemühungen von Anwält*innen und Akademiker*innen unternommen werden, um das internationale Menschenrecht zu dekolonisieren.

27. Juni 2023, 17:30 Uhr, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Das Event findet vor Ort und in englischer Sprache statt.

Melden Sie sich bis zum 22. Juni hier an, um teilzunehmen.


Memory Theatre

Dieser multimediale Vortrag mit Maksym Rokmaniko (Center for Spatial Technologies) und Eyal Weizman (Forensic Architecture/Forensis) befasst sich mit der Bombardierung des Theaters im ukrainischen Mariupol am 16. März 2022 durch russische Truppen — einer der schlimmsten Gräueltaten an Zivilist*innen seit der Großinvasion im zurückliegenden Jahr. Das Theater von Mariupol war vor seiner Zerstörung auch ein vermeintlich sicherer Ort für die Zivilbevölkerung: Rund zweitausend Menschen hatten dort während der Belagerung Mariupols Unterschlupf gefunden. In dieser Zeit wurde das Theater zu einem Raum für Diskussionen, Schutz und gegenseitige Care-Arbeit. Bis zur Beseitigung durch die russischen Besatzungstruppen waren die Trümmer des Gebäudes auch ein Beweis für ein schwerwiegendes Kriegsverbrechen.

23. Juni, 21:00 - 22:30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, Hauptbühne

Mehr Infos und Tickets hier


FÜR GLOBALE GERECHTIGKEIT


Die Welt ist nur gerecht, wenn Menschenrechte universell gelten und verwirklicht werden. Dafür kämpfen wir weltweit:
mit Betroffenen, mit Partner*innen, mit juristischen Mitteln.
Vielen Dank, dass Sie uns helfen, dieses Ziel zu erreichen.

VERGANGENE VERANSTALTUNGEN
Nebenkläger Ruham Hawash (links) berichtet über die Erfahrung, in Deutschland über syrische Staatsverbrechen auszusagen. Wassim Muktad (ganz rechts) verurteilte bei der Gerichtsverhandlung ebenfalls nachdrücklich die Folter und das Verschwindenlassen durch das syrische Regime. © Mohamed Badarne/ECCHR
Syrische Staatsfolter vor Gericht – Buchvorstellung
Der gemeinsam vom ECCHR und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) veröffentlichte Sammelband zur Dokumentation des Syrien-Prozesses in Koblenz feierte am 15. Mai in Berlin Premiere. Die Veranstaltung wurde von Musik, einer szenischen Lesung und Podiumsdiskussionen mit Mitwirkenden des Sammelbandes, Nebenkläger*innen des Prozesses und Rechtsberater*innen des ECCHR begleitet. Die dreisprachige Publikation bietet Einblicke in das Gerichtsverfahren und ordnet dieses in einen größeren historischen, sozialen und rechtlichen Kontext ein. Wassim Muktad, Musiker und Nebenkläger des Prozesses, eröffnete die Veranstaltung mit einer musikalischen Darbietung.

Um Syrische Staatsfolter vor Gericht zu bestellen, besuchen Sie bitte diese Webseite.

        

ECCHR @ re:publica 2023: Klimagerechtigkeit und Entschädigung


Edi und Asmania, Bewohner*innen der Insel Pari, sprachen gemeinsam mit Miriam Saage-Maaß (ECCHR) und Parid Ridwanuddin (WAHLI) über die Gefahren des steigenden Meeresspiegels für die Inselbewohner*innen © ECCHR

Auf dem Festival für die digitale Gesellschaft, der re:publica 2023, beteiligten wir uns mit zwei Vorträgen, die das diesjährige Thema "CASH" durch die Brille der Arbeit des ECCHR zu Unternehmensverantwortung, Klimagerechtigkeit und Entschädigungen für Klimaschäden beleuchteten. Am 5. Juni diskutierte Laura Duarte Reyes, Legal Advisor des ECCHR, mit Barbara Hermann von Client Earth über die Verantwortung von Unternehmen für die Klimakrise. Diese verschleiern seit Jahrzehnten ihre Verantwortung für den Überschuss an Treibhausgasen und damit für den Klimawandel.

Sehen Sie sich das Videomaterial an.

Am 7. Juni stellte zudem ECCHR-Legal Director Miriam Saage-Maaß zusammen mit Edi und Asmania, zwei Bewohner*innen der indonesischen Insel Pari, deren Klage vor. Die Insel von Edi und Asmania ist durch den steigenden Meeresspiegel existenziell bedroht. Mit Unterstützung des ECCHR verklagten die beiden zusammen mit zwei weiteren Inselbewohner*innen den Schweizer Zementkonzern Holcim wegen seines erheblichen Beitrags zur globalen Erderwärmung. Sie diskutierten die Einzigartigkeit der Klage, in welcher sie Entschädigungen für vergangene klimabedingte Schäden auf der Insel, einen Beitrag zu Hochwasserschutzmaßnahmen sowie eine deutliche Verringerung des CO2-Fußabdrucks von Holcim fordern.

Sehen Sie sich die Aufzeichnung hier an.

Mitglieder des ECCHR nahmen zusammen mit den Kläger*innen Edi und Asmania auch an der "Bonn Climate Change Conference - Imagining Just Climate Futures – Joint Event on Loss and Damages" am 14. Juni teil. Mehr dazu hier.
PUBLIKATIONEN

Slovenia’s Paper Pushbacks: Hasty Readmissions to Croatia Denying Critical Procedural Safeguards
(nur auf Englisch verfügbar)
April 2023

Für eine nachhaltige Reform des deutschen Völkerstrafrechts
April 2023

Informationen zum Verwaltungsgericht München
April 2023

Sulaiman Abdullah
Alles, was nicht geschrieben wird, "gerät in Vergessenheit". Eine Debatte über Gerechtigkeit für Syrer*innen in BerlinRezension zu Syrische Staatsfolter vor Gericht (nur auf Arabisch verfügbar) 
Raseef22, 27. Mai 2023

Wolfgang Kaleck 
Whistleblower Edward Snowden: 1000 Jahre Haft 
(only available in German)
Spiegel Online, 8. Juni 2023

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